Alleine unterwegs

von Nordherz

Es ist passiert. Von heute auf morgen. Mein Kind geht alleine zur Schule und läuft alleine nach Hause.

Nichts besonderes. Würden jetzt einige sagen. Doch. Ist es. Für mich! Er ist mein Erstgeborener, mein Kind dass ich 9 Monate unter meinem Herzen trug, das warm und nackt auf meiner Brust lag, dass ich Nächtelang durch Bauchweh und Koliken begleitet habe, durch Nachtschreck und Krankheiten. Und das ist loslassen muss. Und das ohne zu sehr zu glucken oder ihm das Gefühl zu geben, dass er das nicht schaffen könnte oder ich nicht an ihn glauben würde.

Und das sind die wirklich schweren Momente einer Elternschaft. Nicht das stillen, nicht die Koliken, nicht die Wutanfälle oder Streits. Sondern das loslassen, das Vertrauen, das “Kontrolle aus der Hand geben” – solche Dinge die irgendwann selbstverständlich werden und doch zu Beginn so unglaublich schwer fallen.

Etwas verändert sich

Letztes Jahr wurde er eingeschult. Da hieß es noch “Mama, ich will dass Du mich immer zur Schule bringst!” und als ich da schon anfing ihm beibringen zu wollen wie er sich auf dem Schulweg zu verhalten hat, wenn er mal alleine läuft, meinte er: “Nein, das will ich nicht wissen, du sollst mich immer abholen!”- und ich dachte nur: “Ja ja, das sagst du JETZT!”.

Und bis zum Schluss des Schuljahres, bis zum letzten Tag vor den Sommerferien habe ich ihn jeden Tag hingebracht und abgeholt. Es kam glaube ich zwei Mal vor, dass ich am Parkplatz vom Sportplatz gewartet habe, in Sichtweite des rückwärtigen Schulgebäudes. Das wars dann aber auch schon.

Eine Gewohnheit, ein Weg, der mich schon seit dem Kindergarten, der direkt daneben liegt, begleitet. Seit vier Jahren. Bei Wind und Regen, bei Sonnenschein und Hitze. Entsprechend komisch ist das jetzt für mich dass es sich ändert.

Schon in den Ferien zeichnete sich ab dass sich da etwas ändert. Denn da stromerte das Kind schon alleine in der Siedlung umher und war sogar alleine an der Tanke um sich eine Zeitschrift zu kaufen (ich wäre so froh wir hätten ein Kiosk! Wenn ich das Budget hätte, ich würde glatt eines selbst eröffnen. Es fehlt was, seit der Lebensmittelladen hier für immer geschlossen hat – ich schweife ab).

Ich habe mir immer wieder vorgesagt dass das total okay ist. Weil ich in dem Alter auch schon alleine unterwegs war. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt ja doch. Ob das anders wäre, wenn er aufwachsen würde wo ich aufgewachsen bin? In einer geschlossenen Siedlung, fernab schnellen Verkehrs?

Wir wohnen hier sehr nah an einer Hauptverkehrsstraße wo Motorräder mit 100 km/h durchheizen – was übrigens auch bei den direkten Anwohnern für viel Unmut sorgt und Beschwerden hervorruft. Zu recht – es gibt genug Straßen zum heizen, da muss man nicht durch die Ortschaft brettern, direkt an einer Schule vorbei. Die Gemeinde hat deshalb schon eine 30er-Zone vor der Schule eingerichtet. Selbst ich habe manchmal Angst über diese Straße zu gehen.

Aber andererseits: passieren kann ja immer was. Egal wo. Ob das jetzt beruhigend ist oder eher das Gegenteil – ich weiß es nicht.

“Ich will morgen alleine gehen”

Letzte Woche Donnerstag fing die Schule wieder an. Auf dem Heimweg sagte er unvermittelt zu mir “Mama, morgen will ich mal alleine nach Hause laufen”. Ich schaute ihn perplex an, fragte “Bis nach Hause? Ganz sicher?” – “Ja Mama!” – “Okay. Kannst du machen.”

Als ich ihn am nächsten Morgen zur Schule brachte, fragte ich noch “Und willst du jetzt heute alleine nach Hause laufen?” -“Ja Mama.”

“Aber du läuft bist nach Hause, ich warte nicht irgendwo unterwegs auf dich. Okay?” (nur zur Sicherheit, nicht dass wir uns noch missverstehen!) – “Ja Mama, jetzt nerv nicht!!!”

Sieh an. Mein Baby wird groß! *schnüff*

Es hat super geklappt. Und es kam direkt die Ansage “Ich will nächste Woche immer alleine heim laufen! Bis auf Freitag, da sollst du mich noch mal abholen.” Wieso ausgerechnet Freitag, weiß ich noch nicht. Das hat er mir nicht verraten.

“Heute will ich auch alleine hin gehen!”

Und heute morgen kam dann die Ansage “Mama? Heute will ich alleine zur Schule gehen”. Da ich aber auch mit dem Hund Gassi muss und eh raus muss, waren wir ein Stück gemeinsam unterwegs und haben uns dann Richtung Feld / Richtung Schule getrennt.

Mal schauen wie sich das zukünftig entwickelt. Ich sehe schwarz für meinen Schweinehund. Also den Inneren, nicht den echten Hund 😂 Denn dank dem “Zum Kindergarten / Zur Schule bringen” habe ich das Gassi und “unterwegs” früh erledigt. In den Ferien schlurrt das immer und manchmal war es schon 12 Uhr bis der Hund raus kam. Mit Kleinkind (früher Baby) auf dem Arm kommt da öfter mal was dazwischen und dann schiebt man und schiebt und dann – Huch! – ist das schon so spät und man fragt sich wohin die Zeit gekommen ist 🙄

 

Ab wann waren eure Kinder alleine unterwegs? Oder geht ihr noch mit / bringt sie?

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1 Kommentare

Mary graupner 16. August 2018 - 14:20

Ich kann dich so verstehen. Unsere Maus ist erst 2 jahre aber erst am Wochenende sagte ich zum Papa als wir alle zusammen im Wald spazieren gingen „Wir müssen jeden Moment genießen, sie wird immer größer und selbstständiger und irgendwann will sie uns nicht mehr an die Hand nehmen. Das wird von einen Tag auf den nächsten geschehen, und wir können es nicht ändern“. Er schaute mich an als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber ich denke als Mutter sieht man das „loslassen“ noch mal ganz anders. Ich hoffe ich kann unsere Maus das erste Schuljahr auch zur Schule bringen und abholen. Zwar fährt hier auch ein Bus, aber die Verkehrssituation ist hier mitten an der Haupstraße sehr präkär.

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